Das Kasino

1 Fahrenkrog/ Meier/ Reinert; 2 Eva-Christina Meier; 3 Inken Reinert ; 4 Valeria Fahrenkrog; 5 Leonardo Portus ; 6 María Muñoz ; 7 Marcela Moraga

1_Valeria Fahrenkrog, Eva-Christina Meier, Inken Reinert. Das Glasdach, 2025. Pigment auf Glas, variable Größe/ 1972 entwarf der chilenische Künstler und Architekt Juan Bernal Ponce ein Glasmosaik für das Dach des Atriums in dem Kulturzentrum in Santiago. Es zählt zu den wenigen Kunstwerken, die nach dem Brand des Gebäudekomplexes 2006 rekonstruiert wurden.

2_Eva Christina Meier. o.T. (Mimbre), 2025. Objekt aus geflochtenem Peddigrohr, ca. 50 x 150 cm/ 1972 fertigte der chilenische Korbflechter Alfredo Manzano große Weiden-Fische (Pez de mimbre) für die Decke des Kasinos des Kulturzentrums. Replicas der geflochtenen Fische befinden sich im wiedereröffneten Centro Cultural Gabriela Mistral in Stgo.

3_Inken Reinert. Bewegung (Hommage an einen Brunnen von Manfred Vollmert, Cottbus ) 2025 Keramik, Möbelelemente, Wasserpumpe, Gr. variable

4_Valeria Fahrenkrog. Lugar de trueno / Thunder Site, 2011– 2012. Mixed Media auf Holz, div. Größen/ Die chilenische Stadt Talca wurde durch ein Erdbeben am 27. Februar 2010 stark zerstört. Die Werkserie “Lugar de trueno” beschäftigt sich mit einem Zwischenzustand: während Bewohner*Innen versuchen, ihre Häuser zu sichern und wieder aufzubauen – entdecken Immobilienfirmen nach der Zerstörung nun günstige Grundstücke in der Innenstadt.

5_Leonardo Portus. Cuartel Ollagüe, 2002. Modellbau, Mixtechnik, variable Größe/ „Cuartel Ollagüe“, aus der Serie „5 Lugares de Santiago/ 5 Orte aus Santiago“ (2002) zeigt das Modell eines Wohnhauses, das ab 1974 von der Militärdiktatur Pinochets als klandestines Folterzentrum vom Geheimdienst genutzt wurde.

6_María Muñoz. Unbound Space, 2019/2025. Kiefernholz, Acrylfarbe, Volltonfarbe, Klarlack, Installation/ Wandrelief, 178 x 188,5 x 2,5 cm/ Die verschiedenen geometrischen Formen von “Unbound Space” basieren auf bestimmten wieder kehrenden Figuren, Symbolen und Zeichen: die Raute, das symmetrische Kreuz oder die Spirale, welche in gewebten Textilien der Mapuche zu finden sind. Die Installation betont die Vorstellung von Zeit als einen zyklisch wiederkehrenden Prozess, der in der indigenen Weltvorstellung im Einklang mit der Natur stattfindet. Für die Ausstellung im Pavillon am Milchhof wurde die Arbeit neu arrangiert.

7_Marcela Moraga. Rotary bits and blasthole drillings, 2019 (aus der Serie „The Mountain as Warp“) Hand- u. Maschinenstickerei, Filz, Wolle, Garn, 120 x 110 cm/ Zeichen des Mega-Bergbaus – Bagger, Bohrer, Lastwagen und deren Spuren in der Landschaft greifen in das traditionelle Design von Pflanzen, Tieren und Bewässerungskanälen ein, transformieren die Geschichte und die Gestalt des Awayos*.
*(Eine traditionelle Textilart aus der Aymara- und Quechua-Kultur. Heute werden Awayos durch industrielle Fertigung massentauglich produziert.)

Über die Ausstellung

/ Traducción al español véase al final

Als kollektive Installation nimmt “Das Kasino” Bezug auf die Geschichte eines einzigartigen Kultur- gebäudes der chilenischen Unidad Popular von Präsident Allende (1970–73).

Für die Ausrichtung der dritten Konferenz der Vereinten Nationen, UNCTAD III, entstand 1972 in Santiago de Chile das architektonisch-visionäre Kulturzentrum Gabriela Mistral. Das mit vereinter Kraftanstrengung errichtete moderne Gebäude sollte beispielhaft für den kulturellen und gesellschaftlichen Aufbruch des Landes stehen. Künstler*Innen wie Kunsthandwerker*Innen beteiligten sich mit Skulpturen, Wandgemälden, Licht- und Glas Installationen an dem Projekt.

Zu ihnen zählte auch die Textilkünstlerin Paulina Brugnoli. Die heute 84-jährige erinnerte sich 2023 im Gespräch an den emblematischen Ort:

“Alles war offen. Du hast die Straße dahinter gesehen und die Gärten. Die Leute gingen ein und aus – besuchten das Kino, die Ausstellungen und das Kasino. Es war schön.”

Nach dem Militärputsch in Chile am 11. September 1973 wurden die Räume geplündert und das Gebäude über Jahrzehnte zweckentfremdet.
Die Ausstellung „Das Kasino“ nimmt die Erinnerung an das historische Gebäude zum Ausgangspunkt für eine künstlerisch experimentelle Auseinandersetzung über soziale Räume, gestalterische Praktiken und gesellschaftliche Visionen.

Konzept: Valeria Fahrenkrog, Eva-Christina Meier und Inken Reinert

Abbildungen: Portrait Paulina Brugnoli. Webarbeit P. Brugnoli, 2023 (Foto: E.C. Meier)/ Architekturskizze Glasdach von Juan Bernal Ponce (Biblioteca Nacional, Chile/ Archivaufnahme Kasino mit Weiden-fischen von A. Manzano, 1972 (Foto: M. Lawner)

Über die Künstler*Innen der Ausstellung:

Valeria Fahrenkrog (1980, Asunción, Paraguay) ist eine deutsch- chilenische bildende Künstlerin und Publizistin. Hauptthema ihrer Arbeit ist die Erforschung verschiedener Formen der Repräsentation und des Dialogs zwischen (urbanen) Räumen und künstlerischer Sprache. Die Entwicklung von Strategien zur Übersetzung verschiedener Themen findet ihren Ausdruck in unterschiedlichen Medien, von der Installation bis zu diversen Veranstaltungsformaten. Sie ist Mitgründerin der Berliner Hefte zu Geschichte und Gegenwart der Stadt und seit 2020 arbeitet sie mit Erik Göngrich und Nora Wilhelm am Projekt MITKUNSTZENTRALE – Werkstatt für Kunst und Klima im Haus der Statistik. www.dreipalmen.com / www.mitkunstzentrale.de / www.berlinerhefte.de

Eva-Christina Meier, Fotografin, Autorin und Kuratorin, lebt in Berlin. Studium der visuellen Kommunikation, Kunsthochschule Berlin- Weißensee u. Zürcher Hochschule der Künste. Meisterschülerin bei Katharina Grosse (2001). Herausgeberin (mit Valeria Fahrenkrog u. Galería Metropolitana) von „Chile International II. Skizzen des Südens – Landkarten von morgen“ (Berlin, 2022); Kuratorin der Ausstellungen “Cut & Mix. Kulturelle Aneignung und künstlerische Behauptung”, ifa Galerie Berlin/Stuttgart 2011, “Museo Santiago”, Kunstraum Bethanien Berlin 2009 u.a. www.eva-christina-meier.de

Marcela Moraga ist bildende Künstlerin u. Kunstvermittlerin, lebt in Berlin. Mitbegründerin von „Museo Comunitario del agua – Rio Renaico“ in Chile 2016. Co-Kuratorin von „Museo de la Democracia“, nGbK Berlin 2021. Autorin von “Ein Fluss, ein Archiv. Die Berliner Spree” 2022.

2024 war sie Artist-in-Residence im Forschungszentrum CERN in Genf und ALMA (Atacama Large Millimeter Array) in der chilenischen Atacama Wüste. www.marcelamoraga.org/

María Muñoz, geb. in Santiago de Chile, lebt in Berlin. Sie studierte Bildende Kunst an der Universidad Católica de Chile und an der UdK Berlin. (Meisterschülerin bei Prof. Robert Lucander). Für ihre künst- lerischen Projekte erhielt sie verschiedene Stipendien und Kulturför- derungen u.a. in Chile. Ausstellungen und Kunstmessen u.a. in Berlin, Santiago de Chile, Lima und Wien. www.maria-munoz.com/

Leonardo Portus ist bildender Künstler und Kunsthandwerker. Er lebt in Santiago de Chile. In detailreichen Modellbau-Objekten u. Fotografie beschäftigt er sich mit Architektur und Erinnerung – mit historischen Orten und Spuren der Moderne. 2012: LIMBO, Galería Die Ecke y ¿Esta será mi casa, cuando me vaya yo?, Sala Gasco 2014: Estación Utopía, Museo MAVI 2018 y 2019: Soplos de Luz, CECAL Chillán y Salas MNBA Mall Plaza El Trébol y Vespucio u.a. www.instagram.com/leonardo.portus/

Inken Reinert, in Jena geboren, lebt und arbeitet in Berlin. Studium der Malerei, Kunsthochschule Berlin-Weißensee. Meisterschülerin bei Werner Liebmann (2000), Assistentin von Julie Mehretu, 2008/09 u. Keramikerin. Ihre künstlerische Arbeit beschäftigt sich mit Umbrüchen, die politische und gesellschaftliche Transformationen nach sich ziehen und lotet deren Einfluss auf Architektur, Design und öffentlichen Raum aus – kommen-tiert analytisch, manchmal auch poetisch die Widersprüche zwischen Utopie, Realität und individuellem Lebensentwurf. www.inken-reinert.de/

Weiterführende Informationen:

“Allendes Kultur und Brugnolis Werk”, Interview mit Paulina Brugnoli, taz 1.09.2023: www.taz.de/50-Jahre-Militaerputsch-in-Chile/!5954774/
V. Fahrenkrog, E.-Ch.Meier, Galeria Metropolitana “Chile International II Skizzen des Südens – Landkarten von morgen” Berlin 2022, dt/sp www.gam.cl/somos/edificio/historia/ www.goethe.de/ins/cl/de/kul/knt/cin.html www.ngbk.de/de/shop/publikationen/chile-international-ii www.eva-christina-meier.de/images/blick-ins-buch_chile-international- ii.pdf

Introducción español / El Casino

La instalación colectiva, «El Casino» remite a la historia de un edificio cultural único de la Unidad Popular chilena del Presidente Allende (1970-73). El visionario Centro Cultural Gabriela Mistral se con- struyó en Santiago de Chile en 1972 para albergar la tercera Conferencia de las Naciones Unidas, UNCTAD III. El moderno edificio, un esfuerzo comu- nitario, se consideró un ejemplo del despertar cultu- ral y social del país. Artistas y artesanxs parti-ciparon en el proyecto con esculturas, murales e instala- ciones vitrales y estructuras arquitectonicas.

Entre ellos estaba Paulina Brugnoli. La artista textil, que ahora tiene 84 años, recordó el emblemático lugar en una entrevista en 2023: „Era todo abierto. Tú veías la calle de más allá, los jardines. La gente entraba, salía, iba a las salas de cine, iba a las exposiciones, al casino. Era lindo.“.

Tras el golpe militar del 11 de septiembre de 1973 en Chile, las salas fueron saqueadas y el edificio fue mal utilizado durante décadas. La exposición «El Casino» toma la memoria del histórico edificio como punto de partida para una reflexión experimental de los espacios sociales, las prácticas artísticas y las visiones sociales. /Concepto: Valeria Fahrenkrog, Eva-Christina Meier e Inken Reinert